Was mit einer Idee begann, mündete nach zwei Jahren Vorarbeit in über 1.000 Minuten wissenschaftlicher Beobachtung. Wir nehmen die Stabsarbeit unter die Lupe und konnten im Januar 2023 im Methodentest des SDZ_E zeigen, dass das wissenschaftliche Konzept des Konsortiums rund um die Technische Hochschule Köln, Akkon Hochschule in Berlin, Eurocommand GmbH, Bundesakademie für Bevölkerungsschutz und zivile Verteidigung und das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt funktioniert.

Stab während der Szenariobearbeitung

Mehr als 50 erfahrene Teilnehmende aus den Bereichen Sicherheit, Rettung, Verwaltung und Forschung kamen hierfür zusammen. Im OPTSAL-Lageraum des DLR in Berlin haben drei Stäbe in Experimenten ganz unterschiedliche krisenhafte Ereignisse bewältigt und wurden währenddessen mit einer Menge Hightech beobachtet. Die hierbei gewonnenen Erkenntnisse zur Informationsverarbeitung und Kommunikation fließen nun in die Verfeinerung der wissenschaftlichen Methodik ein und ebnen den Weg für die eigentliche Experimentalreihe ab 2024.

Wie funktionieren Stäbe und können wir die Prozesse messen?

Im Mittelpunkt der wissenschaftlichen Arbeit des Vorhabens „Stabsarbeit der Zukunft_Experiment“ (SDZ_E) steht die Beobachtung, Messung und Auswertung der komplexen Prozesse zur Daten- und Informationsverarbeitung sowie Kommunikation und Entscheidungsfindung in der Stabsarbeit. Immer mehr Datenquellen und immer größere Informationsmengen müssen Führungskräfte in Schadenslagen binnen kürzester Zeit bewältigen, um angemessene Handlungsgrundlagen zu schaffen sowie Entscheidungen zum Schutz und zur Rettung in komplexen oder kaskadierenden Schadenslagen zu treffen.

Wie funktionieren Stäbe in diesen Situationen? Was genau geschieht mit eingehenden Informationen? Wie erfolgt deren Bewertung, Einordnung und Weitergabe? Wie kommt es zu einer Entscheidung? Und wirken sich unterschiedliche stabsinterne Organisationsformen messbar auf die Stabsarbeit aus? Diesen und weiteren Fragen gehen wir nach und kreierten und simulierten drei realitätsnahe Einsatzszenarien, für deren Bewältigung Behörden und Organisationen mit Sicherheitsaufgaben zuständig sind. Von drei unterschiedlichen und nach differenzierten Qualifikationskriterien zusammengestellten Stäben wurden die drei Szenarien jeweils innerhalb zweistündiger Simulationen wie in bekannten Stabsrahmenübungen bearbeitet. Dies fand im OPTSAL-Lageraum, einer besonderen Erprobungsinfrastruktur des DLR, statt. Über das Führungsunterstützungssystem der Eurocommand GmbH erfolgte die Datenverarbeitung, der Informationsaustausch, die Dokumentation und die Kommunikation mit der Simulationsleitung. Die Simulationsleitung wurde von der BABZ durch professionelle und langjährig erfahrene Übungsleitungen und Coaches gewährleistet. Während der Experimente wurden mit verschiedenen Technologien die Interaktionen und Kommunikation der einzelnen Probandinnen und Probanden in mehr als 1.000 Stunden Ton- und Bildmaterial aufgenommen. Bis in den Sommer hinein, wertete ein interdisziplinäres Team der TH Köln und der Akkon Hochschule mit Unterstützung der Eurocommand das Material aus. Im Ergebnis steht bereits heute die Erkenntnis: Wir werden durch die anstehenden Experimente in der Lage sein, die Stabsarbeit beobachten, messen, analysieren und bewerten können.

Erstmals erhalten wir damit die Möglichkeit neuartige Strukturen sowie Handlungs- und Entscheidungsvorgänge zu erproben und mit den etablierten Abläufen und Organisationsformen empirisch zu vergleichen. Schon kleine Veränderungen können eine große Wirkung entfalten und Stäben künftig zum Beispiel dabei helfen, Technologien effizienter einzusetzen, die Leistungsfähigkeit auch in hoch komplexen, langanhaltenden und kaskadierenden Lagen konstant zu halten und die Fähigkeiten jedes einzelnen optimal in die Führungsprozesse einzubinden.

Einblicke in den Methodentest im Januar 2023

Die gesamte Kommunikation wurde über Bodycams und eine 360-Grad-Kamera im Lageraum visuell aufgezeichnet. Insgesamt wurden drei Szenarien mit drei unterschiedlichen Stäben simuliert. Aus 18 Stunden Experimentaldurchlauf ergaben sich mit unterschiedlichen Kameras 144 Stunden Aufnahmematerial. Übermittelt wurden insgesamt 6.716 Nachrichten. An der Auswertung der Video-, Audio- sowie Log-Daten arbeiteten die Akkon Hochschule und die TH Köln. Dazu gehörte u.a. die Auswertung der Handlungen der Stabsmitglieder mithilfe spezieller Beobachtungssoftware. Diese ermöglichte es den Analysten, alles so zu betrachten, als wären sie zur Beobachtung selbst im Raum gewesen. Die Software ermöglicht das Wechseln zwischen den verschiedenen synchronisierten Body-Cam-Aufnahmen und erleichterte die präzise Beobachtung. Jede Handlung konnte so oft wie nötig wiederholt abgespielt und analysiert werden.

Stab während der Szenariobearbeitung

Es wurde statistisch präzise erfasst, was das Beobachtungskonzept forderten und worauf das gesamte Vorhaben aufbaut. Die betrifft beispielsweise die Verarbeitungsschritte für einzelne eingespielte Informationen, die Interaktionen zwischen den verschiedenen Arbeitsbereichen des Stabes und auch die Nutzung unterschiedlicher Hilfsmittel für die Stabsarbeit. Die erfassten Daten konnten im nächsten Schritt statistisch ausgewertet und verarbeitet werden, sodass relevante Kennzahlen zum Verständnis der Stabsarbeit entstanden. Das betrifft unter anderem die Fragen, welche Rolle die Arbeitsteilung sowie die Adaptivität des Stabes spielt und welche Auswirkungen erzeugt werden, wenn der Stab in seiner Flexibilität plötzlich stark eingeschränkt wird.

Startschuss für die Experimentalreihe ab 2024

Der Methodentest 2023 (Episode 1) hat gezeigt, dass die Forschungsmethode unter realitätsnahmen Bedingungen ähnlich wie in Einsätzen funktioniert und wir in der Lage sein werden, die zahlreichen Forschungsfragen, die wir uns vorgenommen haben, beantworten zu können. Die Ergebnisse von Episode 1 legen den wissenschaftlichen Grundstein für den Beginn der Experimentalreihe. Der erste Durchlauf (Episode 2) wird Anfang 2024 in Berlin stattfinden.

Das Projekt SDZ_E wurde von Forschenden der Akkon Hochschule für Humanwissenschaften, des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt und von der Technischen Hochschule Köln initiiert. Das Konsortium ist um die Partner Eurocommand GmbH und Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe gewachsen. Dem Vorhaben liegt die Intention zugrunde, die Einsatzführung mit Stäben im Bevölkerungsschutz weiterzuentwickeln. Ziel ist es, Erkenntnisse zu gewinnen, wie die zivile Stabsarbeit im Bereich von Gefahrenabwehr und Krisenmanagement leistungsfähig gestaltet werden kann. Im Fokus stehen Einsatzorganisationen, Unternehmen und Verwaltungen. Hierüber soll ein Beitrag zur Förderung gesellschaftlicher Resilienz geleistet werden.